2 Nächte sind mal wieder gar nichts, um nur einen Bruchteil der Pariser Gastronomie-Szene einzufangen. Wir hatten ein Drehbuch zu verfolgen, sonst kämen wir nirgends hin und würden vor lauter Auswahl frustriert im Hotelzimmer mit einem Döner Kebab vorlieb nehmen müssen. So weit soll es nicht kommen.
Mein Reisebegleiter und Food-Buddy Manuel hat hier gute Dienste geleistet und vor Reiseantritt die kulinarischen Fussabdrücke des US-amerikanischen Koch und Schriftsteller, Anthony Bourdain, auf dem Handy festgehalten. Bourdains eigene TV-Show, in der er diverse Orte auf der Welt besucht und deren kulinarischen Eigenheiten entdeckt, haben wir Zeit seines Lebens (R.I.P., Anthony!) richtig „gefressen“. Mit „Google Maps“ haben wir dann unsere Anlaufstellen definiert. Kein Platz für Improvisation also. Alles dem Zufall zu überlassen, wäre zwar romantischer, aber mit der riesigen Auswahl in Paris stellt nicht jeder Restaurant-Besuch ein Volltreffer dar.
Es war nicht unser erster Besuch in der Metropole an der Seine, und wor haben deswegen auch bewusst den Besuch der Hauptsehenswürdigkeiten ausgelassen.
Wie im französischen Film – und mit Gehirn zur Vorspeise
Wenn schon in Paris, dann richtig wie in Paris. Das Bistrot „Paul Bert“ im 11. Arrondissement ist wie einem französischen Film entsprungen: Der Speiseraum ist „kuschelig“ eng, die Menükarte wird auf einer grossen Schiefertafel an den Tisch gebracht und die Atmosphäre präsentiert sich wie in einem typischen Bistrot mit vielen Bildern an der Wand.
Meine Wahl fiel zur Mittagszeit auf das „menu fixe“, wo ich zur Vorspeise das „cervelle de canut“ gewählt habe und zwar fest in der Erwartung, dass mir das auf Google-Deutsch übersetzte „Gehirn des Kanuten“ serviert werden würde. Anstelle dessen gab es einen Käseaufstrich, der aus Lyon stammt und angereichert mit Kräutern und dem immerzu knusprigen Brot die wohl bessere Option als Kanuten-Hirn war. Ebenso knusprig im Übrigen waren die hausgemachten Pommes Frites zum Fleisch (das Namen des Fleisch‘ habe ich vergessen, aber es war sehr gut). Ein Traum war das Dessert: Die Crème brûlée war wunderbar cremig und der Deckel perfekt knackig.
Auf meinen Wunsch nach einer lokalen Bier-Spezialität wurde mir übrigens auch ein absoluter Volltreffer von der Kellnerin vorgeschlagen: Im wunderschönen Vintage-Style ist dieses aus dem Loire-Tal stammende Bauern-Bier „Loirette“ in Aromatik und Süffigkeit nahezu perfekt.
Beim Schweden mit den französischen Tapas
Auf gut Glück sind wir hier im Restaurant „Au Passage“ abends vorbeigekommen und haben am Stehtisch noch 2 Plätze im proppenvollen Restaurant in der Nähe des berüchtigten Ausgehclubs „Bataclan“ bekommen.
Wir haben zu zweit 5 Gerichte bestellt, denn die Kellnerin teilte uns gleich von Anfang an mit, dass es die Meinung ist, diese Gerichte resp. Tapas miteinander zu teilen. Sie hat sich zum Glück auch die Zeit genommen, jedes Gericht auf der französischen Karte auf Englisch zu übersetzen. So haben wir tatsächlich erfahren, dass es stimmt, was auf der Karte steht: Dass sich hier z.B. ein Gericht aus Lauch, Broccoli, Pastis-Schnapps und Kiwi zusammensetzt.
Wer seinem Gaumen solche Überraschungen zutraut und sich nicht das Ziel setzt, den Magen vollzuschlagen (die Tapas im Preisrahmen von 15 EURO sind in wenigen Bissen verschlungen), sollte dieses von einem Schweden geführte Etablissement unbedingt aufsuchen.
Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch
Spontan haben wir im Restaurant „Robert et Louise“ im Quartier von „Le Marais“ mit traditionell-rustikaler Atmosphäre noch zwei Plätze an der Bar im Gewölbekeller bekommen.
Das T-Bone Steak war zart und geschmacklich wunderbar aromatisch, weil es perfekt zubereitet war. Gegrillt wird das Fleisch im Kamin auf einer Eisenplatte und Gäste im Erdgeschoss haben je nach Tischwahl die Möglichkeit dem Chef-Koch beim Grillen zuzusehen. Die dazu gereichten Bratkartoffeln waren vorzüglich wie auch der perfekt dressierte Salat. Standard-mässig wird ein Bottich Senf mit aufgetischt – ein Senf der es in jeden Feinkostenladen schaffen würde und dann noch immer ausverkauft wäre.
Eine Reservation ist hier empfohlen, denn wenn ich wüsste, was ich hier verpasst hätte, hätte ich jetzt schon den nächsten Paris-Trip gebucht.

Cocktails im erdrückend grossen Weinangebot
Die in den Pariser Restaurants ausgehändigten Weinkarten sind meinem Blickfeld nicht entgangen, waren diese doch immer so dick wie Telefonbücher. Das Weinangebot scheint in Paris nahezu erdrückend. Da ich aber eher der Bier-Trinker bin und auch nicht immer Gerstensaft (neben Mineralwasser aka Perrier) bestellen kann, darf es zum Apéro für mich auch gerne ein Cocktail sein.
Im östlichen Teil von Paris, nicht weit vom „Bahnhof Gare de Lyon“, befindet sich das „Le Calbar“, welches sich vollumfänglich dem Kosmos des Cocktails verschrieben hat. Auf Basis von Gin, Wodka, Rum, Pisco und Tequila zaubert der Barkeeper jeweils drei ausgewählte Variationen, die es absolut krachen lassen. Ich persönlich fand es angenehm, dass es „nur“ drei Optionen gab, denn mit mehr wäre ich sowieso überfordert. Vor allem wenn sie dann auch geschmacklich das einhalten, was man von einem Spezialisten erwartet.
Wir wurden sehr nett bedient und auch über die verschiedenen Cocktail-Formen unterrichtet. Die Atmosphäre ist cool und der Style leger (das Personal hatte kurze Hosen an – und das im Dezember).
Frühstück im New Yorker Stil
Die Domäne von Pariser Hotels ist das Frühstück nicht unbedingt: Meist befindet sich der Frühstücksraum im Keller. Die industriellen Konfitüren-Döschen, das Aufback-Brot und die Auswahl der drei Haupt-Zerealien im IKEA-Einmachglas begeistern kaum.
Mehr Flair hat das Café „Passager“ im Pariser Quartier „Bastille“ zu bieten. Hier wähne ich mich vom Stil her in einer anderen persönlichen Lieblingsstadt (New York): Das Interieur ist karg/modern, das Personal und die Gäste jung (geblieben) und die Bagels oder Pfannkuchen „bödelen“ perfekt für eine anstehende randonné entlang dem Seine-Fluss oder auf dem in der Nähe sich befindenden Eisenbahnviadukt „Viaduct des Arts“ (ähnlich der „High Line“ in New York, eine weitere Parallele zur Schwesternstadt „ennet des Atlantiks“).
Der perfekte Start in einen perfekten Tag also.
